Texte

Eines liebe ich besonders am Schreiben:


Die Fantasie trägt mich überall hin
und eröffnet mir neue (T)Räume.
Eines liebe ich besonders am Schreiben:

Die Fantasie trägt mich überall hin
und eröffnet mir neue (T)Räume.

(Bild: MeGit)

(Foto: MeGit)

Der Sommer hat nun seine Reife. Die ersten Früchte an Büschen und Bäumen verraten mir sein Alter.
Hält er mich bei guter Laune, der Sommer, so wie er jetzt gerade ist?
Ja, vor allem wenn ich früh morgens am Fluss entlang laufe, dem Gesang einiger Amseln lausche und aufgeregte Spatzen sehe, die in großer Eile aus einem Gestrüp geflogen kommen, um in einem anderen zu verschwinden. Lebhaft durcheinander schwatzend, höre ich sie und fühle mich an Küchenfenster erinnert, die an warmen Sommertagen offen stehen und mich, als Vorüberlaufende, am munteren Geplapper einer Familie teilnehmen lassen. …

Es ist Sommer. Ich genieße ihn und bin bereit für all das, was kommt.

(28.07.25)


(Foto: MeGit)

Wenn eine Seite leer bleibt …
Was dann?
Wenn mir kein Gedanke mehr kommt …
Über was?
Naja, übers Leben, übers tägliche Dasein.
Über all das TagesAllerlei …
Gedanken, die zur Geschichte werden,
Geschichten, die ich anderen erzähle …
Und nun?
Nun?
Schreib doch einfach weiter,
die Seite füllt sich gerade,
sie bleibt nicht leer.


Ja, dann schreibe ich einfach weiter. Satz für Satz. Nur, von was soll ich erzählen? Und ja, habe ich etwas zu erzählen? Ich könnte darüber berichten, dass ich gut gestartet bin, ganz ohne einen Vorsatz, ganz ohne übertriebene Schwärmerei: Neues Jahr, neues Glück und das ganze „bla bla“.

Dabei hat das Jahr etwas mit mir vor. Und genau daran möchte ich nicht denken, nicht jetzt, vielleicht später, wenn das Jahr herbstlich wird. Wenn Trauben an den Weinreben hängen, reife Beeren Wespen anlocken, wenn Laub sich vom satten Grün in ein strahlendes Rot oder Gelb verwandelt. Wenn sich zitternde Blätter mit letzter Kraft an den Ästen festhalten, bis ein tobender Wind sie mitreißt, hoch in die Lüfte wirbelt, um sie am Ende, sich selbst überlassen, einfach fallen lässt.

Dann wird es Zeit, mich mit dem zu beschäftigen, was dieses Jahr mit mir vorhat.

Vorher aber, verbringe ich mein Leben mit der Ungeraden, noch einige Monate lang. Mit ihr spaziere ich hinein in den Frühling, der herrlich jungen Zeit. Bin bereit zum Aufbrechen, zum entschlossenen Erneuern und vielleicht passiert mir auch eine neue Liebe.

Danach, der Sommer. Wenn er mich bei guter Laune hält, will ich kein bisschen an das denken, was wir: „Den Runden feiern“ nennen. Diese runden Ereignisse, wer braucht sie? Die Zehn? Die Zwanzig? Dreißig. Vierzig. Fünfzig. Und erst recht die Sechzig?

Vielleicht bin ich noch einige Monate zu jung dafür, diese entscheidende Frage zu beantworten, vielleicht brauche ich dazu noch vierundvierzig Wochen Reife, um mich nicht mehr länger vor dieser Zahl zu fürchten.

(24.01.25)

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Träume

Wir liefen gemeinsam einen Weg – irgendwo im Rothaargebirge – und erzählten uns unsere Träume. Noch war es leicht Träume zu haben, alles schien denkbar. Wir waren gerade Sechzehn.
Ich werde mal heiraten, sagtest du und mindestens fünf Kinder haben. Und ich sagte: Mein Traum ist es, auf einer Bühne vor begeistertem Publikum zu stehen. Aber vorher ziehe ich in die Stadt, gehe jeden Abend aus und verführe die Welt.
Wir lachten, unser Weg ging steil hinauf und nach der nächsten Kurve Knie schmerzend talabwärts.
Wir liefen und liefen ins ErwachsenWerden hinein.

Deine Ärztin sagte dir eines Tages, dass du keine Kinder bekommen könntest. Doch vorher landete ich im Niemandsdorf. Weißt du noch, wie wir in jungen Jahren die Nasen rümpften, wenn wir hörten: jemand habe sich aus Liebe in dieses Dorf verirrt.

Ich habe weder die Welt verführt noch die Bühne zum jubelnden Publikum gefunden. Und frage mich jetzt: Habe ich noch Träume? Und du? Von was träumst du augenblicklich? Sag es mir und lass uns noch mal loslaufen.
Loslaufen und träumen bis zum WegEnde.

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Eine mögliche Küchenszene (in StichPunkten)

Schmale Küche – Wachstuchtischdecke
Kaffeedampf und Zigarettchen*
Tapete: Windmühlenmotiv
vergilbte Gardine –
Rückzugsort

Pläne schmieden, die zu Träume werden
bei Kaffeedampf und Zigarettchen

Plauderei, ohne „es angehen zu wollen“
Träumerei, ohne einem Wachwerden
Empörung, ohne richtig hin(zu)hören

Röcheln, glucksen, Kaffeepulver duftet
Aschenbecher voll –
noch ein Zigarettchen
am offenen Fenster
Was?
Weißt du es besser?
Klugmeister!

*Eine meiner Tanten pflegte damals zu sagen: „Ich gehe mal kurz nach draußen für ein Zigarettchen.“

(02.02.24)


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Der Zeitpunkt ihres Erscheinens
ist nie der richtige, denkt sie.
Immer ungelegen, immer störend,
immer herausreißend aus
dem gerade begonnenen
Gang der unzähligen Gedanken.

Sie kommen unpassend,
unangemeldet und machen sie mürrisch.
Sie kann gar nicht anders,
als schlecht gelaunt zu werden.

Stress im Kopf.
Aufgeregtes Absuchen in der Tasche.
Das Beweismittel. Wo?
Beweise ihnen,
nicht ohne eingestiegen zu sein.

Sie ist da … warte …
sie muss da sein,
die Karte.
Sicher?
Verflixt, wo? Wo? Wo?
Vielleicht … verdammt! …
gestern Abend … ausgeliehen?
Herzpochen. Herzklopfen.
Schweiß unter den Achseln.
Erwischt.
Erwischt werden.
Erwischt sein.
Angst!
Augen, die gucken …
die anderen gucken und haben alle … ich nicht …

Guten Tag, die Fahrkarte bitte!

Eine Sekunde, Sekunde, Sekunde … bitte …
Huch! Aufgetaucht!

Dankeschön!

Den Ausstieg verpasst.

(18.11.23)



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Nächste Station – Ostbahnhof

Schnell mal eben aufs Handy blicken.

Ich habe dazu noch mindestens einen halben Kilometer,
fünfhundert Meter Untertage dunkle Zeit.
Zeit, die ich nutze,
ich benutze Zeit für eventuelle Nützlichkeit:
Ein Bild, eine Schlagzeile, ein Irgendwas
möchte ich noch mitnehmen,
bevor es heißt:
Der Zug endet hier,
bitte alle aussteigen.

Und der Mann?
Der Mann, der zwei Sitze vor mir eingeschlafen
nichts weiter tut, als nur zu schlafen?
Hat er es gehört?
Aussteigen!
Hallo, du da, nicht mehr schlafen,
aufstehen und den Zug verlassen.
Endstation!
Ich habe es gehört.
Ich halte mich daran.
Alle anderen halten sich daran,
wir folgen der Aufforderung:
Jetzt aussteigen, hier endet eine Fahrt.

Du, Mann, spürst du,
dass ich gerade an dir
vorbeigehe,
dass ich in diesem Augenblick
– nahe bei dir –
meinen Blick auf dich gerichtet habe
und nun über niemand anderen
als dich nachdenke?

Soll(te) ich dich wecken?
Soll ich dich davor bewahren,
dass jemand anderes gleich
unsanft zu dir sagt:
Hey, Sie da, aufwachen
und den Zug verlassen.

Meine Füße interessieren sich nicht für meine Gedanken;
sie wollen gehen,
sie wollen weitergehen
durch die Tür.

Der Zug hat uns alle ausgespuckt,
nur dich nicht, Mann.
Er hat nichts dagegen,
wenn du bleibst,
wenn du einfach bleibst und schläfst.

Der Zug fährt in kein Depot;
für ihn ist hier Ende und Beginn.
Für dich, Mann,
beginnt gleich die Fahrt
zu einem nächsten Ziel.

(23.09.23)

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Schnee – eine Geschichte in drei Teilen

Teil 1

Ich lief die Straße entlang.
Flocken tanzten mit mir,
weich und leicht.
Bald schon verschwand die Stadt
unter einem Weiß.
Und all ihren Schmutz und ihren Dreck
fiel darunter.
Rein, blütensauber,
ohne Pollenstaub
war sie nun, die Stadt.
Und es schneite und schneite,
die Wolken wurden nicht leer.
Ich verliebte mich in den Augenblick,
hätte nun jedem alles versprechen können,
so verliebt war ich.
Aus einem seidenen Tuch
wurde ein Leinen aus grobem Garn.
Schwer und rau
und es schneite und schneite,
ich versank
in kalter nasser Schneewatte
und mein Herz verstummte.

Teil 2

Im Bahnhof auf der Treppe
gab es Schnee,
der war kostbar.
Typen, die ihn verkauften,
trugen eine Rolex.
Herabgekommene Seelen
hielten auf Löffeln
das weiße Gift.
Eine Flamme brannte,
das letzte Leuchten.
Der Schuss.
Zwei Augen schlossen sich,
für immer.

Teil 3

Ein Kind rollte Kugeln im Garten.
Vor seinen Augen sah es einen
großen Mann aus Schnee.
Topf, Kohle, Rübe
würde es später suchen.
Kinder finden immer was.
Rolle-rolle
weiße Wolle.
Jetzt nur kugeln.
Und die Kugeln
waren so groß
und schwer,
dass Manfred kommen musste.
Mit dem Gabelstabler.
Und das Tor im Zaun war klein
Mani walzte beides platt
und stabelte die Kugeln übereinander.
Er zeigte endlich mal allen,
was er drauf hatte.
Der Mann aus Schnee
überragte das Haus.
Und er war krumm.
Eine Krähe setzte sich auf seinen Kopf
und lachte, lachte alle aus.
Und die Kugeln kugelten auf das Dach,
auf das Gemäuer
und auf Manis Gabelstabler.

Alles platt – alles.

(Herbst 2017)

Warten auf …

Ich war nie dort,
aber mir ist, als hätte ich die Straßen
von Damaskus überquert,
als sei ich auf dem großen Basar
Bassum Abu begegnet,
der mir eine Matratze verkaufen möchte.

Syrien,
ich rieche Koriander und Zimt
höre den Muezzin vom Turm einer Moschee zum Gebet,
zum Salat, rufen,
früh morgens, wenn die Sonne aufgeht.

Syrien und Bassum Abu,
der mir erklärt,
dass eine Matratze mindestens so
wichtig ist, wie ein Kanister Wasser
und Pita-Brot,
wenn Mauern Risse bekommen,
Scheiben zerbarsten,
und im eigentlichen Teil der Stadt
Feuer die alte Zeit verbrennt.

Bassum Abu zeigt mir,
wie man eine Matratze trägt,
ohne dass der Rücken schmerzt,
ich stelle mich ungeschickt an.

Er lacht,
lacht mit seinen warmen braunen Augen.
Eine Decke aus Kamelhaar
täte es zur Not auch,
sagt er und breitet sie vor meinen Füßen aus.

Er bittet mich, darauf Patz zu nehmen
und schenkt mir aus goldener Kanne
Kaffee ein.

Ich will wissen,
von was er träumt.
Er hat Sehnsucht nach der alten Seele,
sagt er und schweigt.

Und nimmt mich mit zum gemeinsamen Schweigen.
Dann steht er auf und holt süßes Gebäck.
Zu süß, sage ich.
Lieber heute nochmals süß leben,
als morgen bitter sterben,
sagt er. Ich nehme mir ein zweites Stück und danke.

Ich bin hier,
nicht dort
und doch bin ich bei ihm.
Ich warte auf Bassum Abu
und habe eine Matratze
zu meiner gelegt.

(MeGit November 2017)

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Abebe kam aus Somalia
die Sonne hatte ihm das dritte Jahr
Getreide verbrannt,
Sonne in seinem Land
konnte monatelang unermüdlich
Erdkrumen rösten.

Er zog in die Stadt,
man wollte, dass er ein Gewehr trägt.
Abebe aber liebte den Frieden
und sein Leben.

Patronen schossen durch die Luft
in jeder kleinen Gasse.
Abebe floh.

Der Weg raubte von seinen jungen Jahren
Monate,
führte über Stacheldraht
und in Hände,
die von ihm Geld
wollten.

Er griff im Meer nach
dem letzten Rettungsring,
hörte einen anderen schreien.
Man zog ihn am Arm hinauf
über die Reling an Deck.

Lampedusa,
Lampedusa und leben.

Im Lager entdeckte er
außerhalb des Zaunes
eine Postkarte am Boden.
Eilig suchte er nach einem Stock,
die Karte sollte seine werden.
Abebe musste einmal quer durchs Lager laufen,
brach von einem Baum
einen Zweig.

Durch den Maschendraht
stocherte er mit ihm
nach dem Bild,
schob es Millimeter für Millimeter zu sich heran,
unterm Draht hinweg
und hielt bald darauf Paris in den Händen.

Abebe grub eine Kuhle unterm Zaun,
blieb unbemerkt,
jeden Tag ein kleines Stück tiefer
und eines nachts
verschwand er aus dem Lager.

Einer weniger,
es fiel keinem auf.

Straßen, Dreck, müde Füße,
Nächte, Hunger, Kleintransporter.
Abebe sah den Eifelturm.

Er hat ein kleines Geschäft
eröffnet.
Unter freiem Himmel
gart er auf einer ausgedienten Blechdose
Maiskolben,
die meisten verkohlen ihm
über glühender Hitze,
im Schatten von Paris.











Paris

(Foto:: Postkarte)

Paris – eine Reise und die Suche nach der Liebe

Mercredi 24 mai 2017

Es geht nach Paris. Im Schnellzug des SNCF. Mein Französisch beschränkt sich auf: oui, no, merci.

Im Zug mache ich meine erste Erfahrung: ich bekomme ein kleines Bier serviert, obwohl ich es eigentlich nicht bestellt habe. Vielleicht sollte ich den Versuch, Französisch zu lernen, ehrgeiziger vorantreiben.

Ich komme im Bahnhof Paris est an, Menschen aus aller Welt begrüßen mich. Oh, wie klein ist Frankfurt.

Außerhalb des Bahnhofs laufe ich in kleine Straßen hinein – suche die Boulevard de Magenta. Die Autos schieben sich im dichten Verkehr hupend vorwärts, dazwischen Mopedfahrer und lebensmutige Radler.

Man muss es wollen:
Die Enge, das dicht beieinander sein,
das schnelle Reagieren.
Mögen das Verliebte?

Jeudi 25 mai 2017

Heute werde ich vielleicht erfahren, ob in Paris Verliebte romantische Stunden erleben oder ob alles nur ein Mythos ist.

Mein Zimmer im Ibis, in der Boulevard de Rochechouart, ist minimalistisch aber modern gestaltet. Man darf, will man in den achten Stock ohne hunderte von Stufen laufen zu müssen, keine Angst vor einem ein Quadratmeter großen Lift haben.

(Bild: Internetseite von Ibis)

Durchatmen – Weite in der Enge spüren, dann klappt es.

Ich, mit meinem DreiWortFranzösisch spreche plötzlich Englisch, krame längst vergessene Vokabeln aus hintersten Gehirnstuben hervor und überfordere Franzosen.

Bon petit déjeuner im Ibis.
Verliebten ist egal,
ob Teller, Brot oder Schinken fehlt.
Verliebten füllen Schmetterlinge den Bauch.
Ich scheine nicht verliebt zu sein. Malheureusement.

—————

Ich laufe auf unzähligen Stufen hinauf zum Sacré-Cœur. Es ist Himmelfahrt und Feiertag. Die meisten Menschen treffe ich an diesem Morgen hier oben an. Polizisten sichern den Ort.

Unten in den Straßen des Künstlerviertels herrscht dagegen (noch) Ruhe. Für mich eine Wohltat, um mit Muse in einem Straßencafé nach der Liebe zu suchen.

Paris und die Straßencafés:
Draußen in Halbsonne sitzen
ohne darum zu bitten,
die Jalousie weiter herab zu kurbeln.  

Ich bin in der Rue des Trois Frères. Das Café le carrousel lädt mich interessiert ein. Die Bedienung beherrscht mehrere Sprachen und hat Sinn für Humor. Die runden Tische stehen draußen dicht bei dicht, ich sitze auf einem Flechtstuhl und mein Blick fällt auf die gegenüberliegende Hausfassade, die noch im Halbschatten auf Tagessonne wartet.

Liebe spüre ich,
wenn Alltag Urlaub hat,
wenn ich Neuland erobern darf,
mich treiben lasse und überlegen muss,
welchen Wochentag wir haben.

Ich schlendere später die Rue des Trois Frères hinab, wechsel die Straßenseite, sobald mich ein Schaufenster anlockt. Wie das, vom Sacre Bonbon. Ein Mann tritt hinaus in den Türrahmen und begrüßt mit Bonjour. Er spricht in Englisch weiter, er hat bemerkt, dass er mit mir in Französisch keine Geschäfte machen wird.

Vor vier Tagen hat er den Bonbonladen eröffnet – erzählt er stolz. Er ist aufgeregt wie ein Verliebter und er ist sich sicher, dass sein Laden in der Rue des Trois Fréres (die Straße, der drei Brüder) angenommen (werden) wird.

Er lässt mich von den selbst gebrannten Mandeln probieren und ich kaufe ihm ein Tütchen ab.

Merci et a Bientôt

Im La Favorita esse ich zu Mittag. Danach beschließe ich, schon heute zur La Seine zu laufen. Auf der Karte scheint der Weg dorthin höchstens vier Kilometer lang zu sein, für mich wirkt er ermüdend unendlich.

Ich erlebe auf dem Boulevard de Magenta und der Boulevard de Strasbourg das Pariser Afrikaviertel. Das Leben lebt auf den Gehsteigen vor Läden aller Art. Für manche Menschen scheint es nur die Straße zu geben – über ihnen der Himmel von Paris.

Ich sehe Männer, die auf einem selbstgebauten Grill, einer ausgedienten großen Blechdose, Maiskolben zum Verkauf garen.

Ich gehe an vermutlich rumänischen Familien vorüber, die auf einem Stück Pappe Wolldecken ausgebreitet haben, um darauf zu sitzen oder zu schlafen.

Vendredi 26 mai 2017

Ein französisches Frühstück im L´Aristide, das mir Service continu 7J/ 7 verspricht, besteht aus einem Stück Baguette und einem Croissant, dazu Butter, Marmelade und einem Glas Orangensaft.

Ich bestelle schwarzen Tee und bekomme Kräutertee serviert.

In mir fließen Gedanken …

Paris lebt vom Image, die Stadt der Verliebten zu sein. Verliebte, die alles gut finden, sie zahlen gerne Aufpreise und tragen ungern Sonnenbrillen, sie saugen Licht in sich auf und spüren Wärme.
Verliebte sind vielleicht die angenehmsten Touristen der Stadt, die in erster Linie sich selbst haben, umgeben von Pariser Luft und Liebe.
Wobei die Luft in Paris in manchen Straßen, wie der Boulevard de Magenta, CO2 hochkonzentriert ist und knatternde Mopeds zusätzlich für ein Gefühl des gleich-ersticken-müssens sorgen.
Pariser Luft riecht auch nach alten modrigen Stuben, staubschweren Teppichen, riecht nach Antiquariaten in dritter Generation.

Paris ist eine sehr alte Dame.

Vor dem Café L´Aristide bleibt ein Pärchen mittleren Alters stehen. Sie lesen die Karte, sie berühren sich dabei, streichen mit der Hand über den Rücken des anderen, sie lassen sich berühren.

Verliebtheit

Mit viel Gefühl – eine herrliche Zeit.
Egal wo auf dieser Welt,

Paris kann überall sein und überall ist Paris – die Liebe.

Ich möchte zur Avenue des Champs Elysées und ich höre in mir die Melodie vom gleichnamigen Schlager, den ich als Kind mochte. Es ist ein Lied, das in Ohren kriecht und dort für immer einzieht.

Ich laufe quer durch die Stadt. Straßen wie die Rue de Rome und Boulevard Haussmann werden in Erinnerung bleiben, weil ich mich verlaufen habe und dadurch am Ende müde Füße bekomme.

Unzählige Cafés – Restaurants in allen Straßen sagen mir, dass Paris nicht nur die Stadt der Liebe sondern auch des Genießens ist. Die Preise der Menüs sind angenehm.
Schließlich tauchen Läden von Dior, Chanel und Gucci auf. Die Straßen werden breiter, menschenärmer und die Autos protzen. Ich fühle mich unwohl auch wenn der Stadtführer von der Avenue Champs Elysées schwärmt. Mich drängt es bereits am untersten Abschnitt der Straße zurück ins Künstlerviertel. Ich verschwinde in die Ave de Marigny und komme – überrascht – am Palais Elysées vorbei, des französischen Regierungssitzes.

Die Rue de Rome, die ich später hinauflaufen, gehört den Musikern.  Laden für Laden gefüllt mit Noten, Instrumenten und Musikliebhabern.

Auf dem Boulevard des Batignolles und der Boulevard de Clichy gelange ich geradeaus zum Place de Pigalle, die Moulin Rouge zieht meine Blicke an. Pigalle, die Mausefalle, wie Bill Ramsey sang, gibt es tatsächlich, verteilt auf mehrere Häuser der Straße.

Mein letzter Abend gehört nochmals den Straßen im Künstlerviertel. Irish Pub und Sitzen im Café, bei Crêpe und Thé, später im Hotel den Blick auf den Eifelturm.

Samedi 27 mai 2017

Morgens, ein Ibis-Frühstück. Nachdem ich nun weiß, wie ein französisches Frühstück in einem Café ausfällt, erlebe ich hier vergleichsweise einen Überfluss an Abwechslung und Kaffee, so viel man will, das alles für 10€50.

Ich werde gleich über dem Boulevard de Magenta zum Bahnhof Paris est laufen, Menschen, Autos, Schatten erleben, der scheinbar den ganzen Tag über in den Straßen zwischen Fassaden hockt und für ein wenig Kühle sorgt.

Ich möchte nochmals bei jedem Schritt Paris unter meinen Füßen spüren und Liebe mitnehmen,
so viel – ja, so viel.